Beängstigend und ermutigend zugleich
Unter dem Leitwort „Nie wieder!“ hat das Bistum Limburg seit Ende Februar 2024 die Pfarreien und Einrichtungen in der Diözese eingeladen, sichtbar Position für Demokratie und gegen Rechtsextremismus zu beziehen. Um ein öffentlich wahrnehmbares Zeichen zu setzen, bestellten bis Mitte November Pfarreien und Einrichtungen insgesamt 305 Banner und mehr als 23.500 Aufkleber. Vor vielen Kirchen und weiteren Gebäuden hängen Fahnen oder Plakate der Kampagne. Zusätzlich setzten einige ein Statement mit dem Slogan in ihrer E-Mail-Signatur oder im Profilbild auf Social Media.
Bedenkliche und ermutigende Reaktionen
„Es ist zum Angst bekommen, welche Entwicklung da auf unsere Kinder zukommt“, sagt Jan Jung, Leiter der Kindertagestätte Kinderland St. Johannes der Täufer in Welschneudorf. Er nehme wahr, wie die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen zunehme. „Je offensiver wir damit umgehen und sagen, wir schauen der Entwicklung nicht einfach nur zu, desto größer ist die Chance, die Entwicklung zu stoppen“, so Jung. Er bestellte für die Kitas in der Pfarrei St. Peter Montabaur Banner und Aufkleber der Nie wieder!-Kampagne des Bistums. Eines der Banner, das vor einer Kita hing, wurde zerschnitten, ein zweites Banner mit einem wasserfesten Stift beschmiert. „Ich habe Strafanzeige gestellt. Da macht sich bemerkbar, dass es sehr großen Handlungsbedarf gibt“, sagt Jung. Andererseits berichtet er: „Vielen Eltern ist es positiv aufgefallen, dass wir uns im Kitaalltag klar positioniert haben. Auf der einen Seite finde ich die Entwicklung sehr bedenklich, dass solche Aktionen mit Gewalt gestört werden, aber andererseits ermutigen mich die Reaktionen der Eltern auch, weiterzumachen.“
In den Dialog kommen
Als Ehrenamtlicher bestellte Stefan Hecktor Kampagnenbanner für das Projekt „Abenteuer Glaube – Kirche im Grünen“ und für die Gemeinde St. Johannes Apostel in der Pfarrei St. Margareta in Frankfurt. „Wir hatten alle Reaktionen dabei, die man sich vorstellen kann. Generell gab es sehr viel Zustimmung, aber auch welche die sagen: ‚Müsst ihr immer so politisch sein?‘“, sagt Hecktor. Beide Banner wurden beschmiert. „Das ändert aber nichts an unserer Haltung. Wir wollen viel lieber in den Dialog treten“, so Hecktor. Deshalb hängt jetzt neben dem Banner ein kleines Plakat mit der Bitte, die Plakate nicht zu beschmieren, sondern ihnen zu schreiben. Darunter ein QR-Code und die E-Mail-Adresse des Ortsausschusses der Gemeinde St. Johannes Apostel.
Aktionstag in der Schule
„Das Thema ist hochgradig aktuell. Antisemitismus und Kriege nehmen zu. Wir wollten nicht nur die Banner als sichtbares Zeichen an der Schule aufhängen, sondern haben einen ‚Nie wieder ist jetzt‘-Aktionstag an unserer Schule veranstaltet“, sagt Regina Lischka, Schulleiterin der Ketteler-La Roche-Schule in Oberursel. Die Schülerinnen und Schüler der Fachschule für Sozialwesen, Fachrichtung Sozialpädagogik, und der Höheren Berufsfachschule für Sozialassistenz setzten sich an diesem Aktionstag mit Demokratiebildung, Toleranz und den Gefahren von Diskriminierung und Extremismus auseinander. „Wir konnten mit diesem politischen Bekenntnis wichtige Diskussionen in unserer Schulgemeinde anstoßen, um ein differenziertes Bewusstsein für das aktuelle Weltgeschehen zu fördern und Perspektivwechsel zu ermöglichen“, so Lischka.
Präsenz zeigen
Die Verantwortlichen im Kindergarten Liebfrauen in Oberursel machten unterschiedliche Erfahrungen mit dem Aufhängen der Banner. An einem Kindergarten-Standort erhielten sie aufgrund des Plakates vor dem Kindergarten eine Abmeldung. „An sich unterstütze ich die Kampagne, hätte aber nicht mit diesen drastischen Reaktionen gerechnet“, sagt Einrichtungsleiterin Christine Weiße.
„Dass rechtsextreme Parteien an die Macht kommen und die Fremdenfeindlichkeit zunimmt, das finde ich beängstigend. Da müssen wir als Christinnen und Christen dagegen vorgehen“, sagt Stephan Fritz, Religionslehrer der Freiherr-vom-Stein-Schule Hünfelden-Dauborn. Gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern aus zwei Klassen war er vor der Europawahl mit einem Nie wieder!-Banner auf einem Supermarktparkplatz in Kirberg präsent, um so auf das Thema aufmerksam zu machen.
Anliegen der Kampagne behält Aktualität
Angesichts der voraussichtlich stattfindenden vorzeitigen Neuwahl des Bundestags im Februar 2025 führt das Bistum die Kampagne weiter. Bei Bedarf können noch Materialien bestellt werden: bistumlimburg.de/themen-veranstaltungen/themen/nie-wieder. Der Aufruf zu „Nie wieder! – Gemeinsam stark für Demokratie und gegen Rechtsextremismus!“ bleibt aktuell: „Als Christinnen und Christen müssen wir wachsam sein und alle Formen des Extremismus mit Nachdruck zurückweisen und uns für Menschenwürde, Gleichheit, Vielfalt und Solidarität einsetzen“, hieß es im Aufruf des Bistums zu Beginn der Aktion.