Das queere Frankfurt damals und heute
Mit dem Ziel in einem vertrauten Umfeld Neues zu entdecken, machten sich 15 Interessierte von Wiesbaden auf den Weg nach Frankfurt zu einer Queeren Stadtführung, zu der die Jugendkirche KANA und die Queere Jugendarbeit des Bistum Limburg eingeladen hatten. Gemeinsam mit dem Frankfurter Stadtführer Christian Setzepfandt ging es an bekannte und unbekannte Orte in Frankfurt, die mit der Geschichte von Lesben und Schwulen im 19. und 20. Jahrhundert verbunden sind.
Die erste Station war der Karl-Heinrich-Ulrichs-Platz in unmittelbarer Nähe zum Goethehaus. Der Platz ist dem gleichnamigen Juristen und Journalisten gewidmet, der als Vorkämpfer der homosexuellen Emanzipationsbewegung gilt. So forderte er auf dem Deutschen Juristentag in München 1867 die Abschaffung der sogenannten Homosexuellengesetze. Der Ort des Platzes wurde bewusst gewählt, da sich hier im 18. und 19. Jahrhundert das Schwulenviertel befand.
Verschiedene Persönlichkeiten, die auf unterschiedlichste Art und Weise für die Rechte von Lesben und Schwulen in Frankfurt und Umgebung und in Deutschland gewirkt und gekämpft haben, wurden durch, teils humorvoll verpackte, Geschichten vorgestellt.
Vorbilder und Unterstützerinnen
Besonders in Erinnerung geblieben sind zwei Frauen: Ottilie Röderstein und Elisabeth Winterhalter. Die beiden Frauen mussten große Hürden überwinden, um ihre Lebensziele zu erreichen und unterstützten später andere Frauen in dem Wunsch, zu studieren und ein selbstständiges Leben zu finanzieren. Ihre Liebesbeziehung zeigten sie öffentlich. Für ihren Einsatz für Frauenrechte erhielten die Frauen das Ehrenbürgerrecht der Stadt Hofheim.
Die letzten zwei Stationen der queeren Städtetour führten ins 20. Jahrhundert. Das AIDS-Memorial auf dem Peterskirchhof erinnert an die durch die Immunschwäche AIDS verstorbenen Menschen. Jedes Jahr am 1. Dezember, dem Welt-Aids-Tag, werden hier traditionell Eisennägel für die im vergangenen Jahr in Frankfurt an AIDS Verstorbenen in die Mauer geschlagen.
In unmittelbarer Nähe zu den aktuellen Treffpunkten der Community steht der Frankfurter Engel: Ein vollplastisches Mahnmal, das den Opfern der Homosexuellenverfolgung gewidmet ist und damit das erste diese Art in Deutschland. Die Künstlerin Rosemarie Trockel hatte sich eine Figur aus dem Kölner Dom zum Vorbild genommen. Dem Wachsabguss schlug sie den Kopf ab, um diesen leicht versetzt wieder aufzusetzen, sodass die Bruchstelle als Narbe sichtbar bleibt.
Sowohl das AIDS-Memorial als auch der Frankfurter Engel wurden 1994 an die Stadt Frankfurt übergeben.
Rückblickend bot die queere Stadtführung nicht nur eine tolle Möglichkeit, verschiedene Menschen und Vereine, die sich für queere Menschen in Frankfurt und Wiesbaden einsetzen, kennenzulernen, sondern setzte auch spannende Impulse zur Auseinandersetzung mit der Geschichte.
Text: Christin Leichtfuß / KANA