Offen in die Zukunft blicken
„Guter Gott, danke für die Zeit in der Marienkirche“. Mit einem gemeinsam gesprochenen Gebet schloss Anfang September der Profanierungsgottesdienst der katholischen Marienkirche im Stadtteil Pflänzer in Geisenheim. Das Ende der kirchlichen Nutzung des Gebäudes wurde mit der Verlesung der Profanierungsurkunde durch Generalvikar Dr. Wolfgang Pax und der Entnahme der Reliquien aus dem Altar durch Pfarrer Marcus Fischer vollzogen.
Lange Beratungszeit
Die Stadtviertelkirche, deren Bau auf ein Gelübde aus dem Jahr 1942 zurückging, nach dem eine Kapelle zu Ehren der Mutter Gottes errichtet werden sollte, wenn die Stadt im Krieg von größeren Bombenschäden verschont bliebe, wurde bereits 2013 wegen der zurückgehenden Gottesdienstbesucher und der hohen Unterhaltungskosten geschlossen. Rund acht Jahre lang berieten die Gremien der Pfarrei Heilig Kreuz Rheingau und Pfarrer Marcus Fischer, was mit dem reparaturbedürftigen Gebäude geschehen könnte, dessen Erhalt und Pflege die Pfarrei finanziell nicht mehr leisten konnte. Im Rahmen der Kirchlichen Immobilienstrategie des Bistums Limburg (KIS) entschloss man sich schließlich zur Aufgabe des Gebäudes. Nachdem die Stadt nach anfänglichem Interesse von einem Kauf Abstand nahm, sei aktuell noch nichts entschieden, gibt Verwaltungsleiterin Ursula Semmler zur Auskunft. Man habe jedoch einen Bauträger im Blick.
Pfarrer Marcus Fischer dankte im Gottesdienst allen, die sich ehrenamtlich für die Marienkirche eingesetzt haben. Vor allem eine Gruppe Frauen aus dem Stadtteil habe sich über Jahre liebevoll um das Gotteshaus gekümmert. Neben dem Dank ist ihm auch der wertschätzende Umgang mit den Einrichtungen der Marienkirche ein großes Anliegen. So wurde für zwei Glocken in Rüdesheim ein neuer Platz gefunden, die Bänke erhielt eine ungarische Gemeinde und die Marienstatue steht nun im Geisenheimer Altenwohnheim. Wichtig ist ihm und den Gremien auch das Anbringen einer Gedenktafel, die an die kirchliche Nutzung des Gebäudes erinnern wird.
Abschied von Gebäude, nicht von den Menschen
Zu sagen, er sei gerne gekommen, wäre missverständlich, sagte der Generalvikar, der erstmals eine Kirche profanierte. Es sei ihm aber ein Anliegen zu zeigen, dass die Profanierung vom Bistum mitgetragen werde. Die Aufgabe einer Kirche sei immer der letzte Schritt eines Prozesses, der mit viel Abschiedsschmerz verbunden sei. Gleichzeitig dürfe man Dankbarkeit empfinden, die Kirche über ein halbes Jahrhundert als geistliche Heimat erlebt zu haben. „Wir verabschieden uns von einem Gebäude, aber nicht von den Menschen“, stellte Pax klar und forderte die Anwesenden auf sich neuen Beteiligungsmöglichkeiten zu öffnen. Derzeit sei Verzagtheit in Kirche und Gesellschaft sehr verbreitet. Dabei würden Möglichkeiten nicht gesehen, so Pax. Er forderte die Menschen auf, ihre Chancen zu erkennen und sich gegenseitig Mut zu machen. Der Abschiedsschmerz solle in Zukunft verwandelt werden, wünschte sich der Generalvikar, der betonte: „Der Segen Gottes wird uns nicht verlassen.“
Grußworte überbrachten Siegmar Görtges vom Verein „Freunde und Förderer der Marienkapelle“ und Bürgermeister Christian Aßmann. „Wir nehmen Abschied für immer“, bedauerte Görtges, der die Geschichte der Marienkirche noch einmal übersichtlich in Zahlen und Daten zusammenfasste. Auch er dankte allen, die in der Kirche mitgewirkt und sie am Leben erhalten hatten. Musikalisch gestaltete Florian Brachtendorf, Leiter der Domsingschule, am E-Piano die Profanierung. Neben dem Generalvikar und Pfarrer Fischer nahm auch das Pastoralteam am Gottesdienst teil.
Umtrunk zum Abschied
Im Anschluss war die Gemeinde noch zu einem Umtrunk eingeladen, um im Gespräch in geselliger Runde von der Stadtviertelkirche Abschied zu nehmen. Ein Rüdesheimer Gemeindemitglied war sogar zum ersten Mal in der Marienkirche. „Ich wollte mir die Kirche schon so lange einmal ansehen. Heute war die letzte Gelegenheit.“